Test
Micro Seiki BL 91 (aus "stereoplay", 03/80)
Mit freundlicher Genehmigung der Motorpresse, Stuttgart
Die
glorreichen Vier
Der englische Plattenspieler Linn Sondek genießt den Ruf,
eines der weltbesten Laufwerke zu sein. Ist er der internationalen
Konkurrenz wirklich überlegen?
"Wer´s
glaubt, wird selig", sagt der Volksmund in Abänderung eines
Bibelzitats, und in der High Fidelity scheint die Gilde der Gläubigen
besonders groß. Wahre Glaubenskriege fechten beispielsweise
die Plattenspieler-Experten aus: Hier Riementriebler, dort Direkttriebler,
denen alle möglichen Eigenschaften angedichtet werden. Auch der
Glaube an den allein seligmachenden Klang der Röhrenverstärker
ist oft noch ungebrochen, und manche Marke lebt ausschließlich
von der Gläubigkeit ihrer Jünger. So gilt auch vielen Fans
noch heute ein Plattenspieler der Firma Linn Sondek als der edelste
seiner Art.
Ob
freilich die zahlreichen Legenden, die sich um das schottische Laufwerk
ranken, auch einem kritischen Vergleich standhalten können, wurde
bislang selten geprüft; so lag es nahe, ihn gegen renommierte
internationale Konkurrenz antreten zu lassen.
Im
stereoplay-Vergleichstest mußte er sich dazu mit dem
deutschen Thorens-Laufwerk TD 126 und dem brandneuen Japaner Micro
BL-91 messen. Um gleichzeitig zu ermitteln, ob ein Direkttriebler
der oberen Preisklasse den drei riemengetriebenen Konstruktionen überlegen
ist, vervollständigte das Flaggschiff des japanischen Herstellers
Technics, das Modell SP-15, die Testrunde.
Vertraut
man den teils euphorischen Aussagen der englischen, deutschen und
amerikanischen Fans, so muß es sich bei dem mehrere Jahre alten
Linn um ein wahres Wunderwerk handeln. Ihm werden Klangeigenschaften
nachgesagt, die wohl selbst seinen Konstrukteur Ivor Tiefenbrunn verblüffen
dürften.
Doch
bei genauer Betrachtung des Superspielers aus Schottland wird der
Sockel, auf den ihn einige Freaks stellten, merklich kleiner. Zu billig
ist seine Konstruktion in manchen Details: eine Bodenplatte aus primitiver
Hartfaser, eine Plattenteller-Gummiauflage, die so dünn ist,
daß jegliche Resonanzdämpfung Wunschdenken bleibt (zudem
war sie beim Testgerät reichlich verwellt; siehe auch Seite 74)
und nur eine, dazu nicht regelbare Drehzahl (33 U/min) - wahrlich
für ein rund 1350 Mark teures Laufwerk eine recht dürftige
Ausstattung. Das Geheimnis des sagenumwobenen Schotten muß wohl
anderswo gesucht werden.
Doch
die Konstruktion gibt dazu, obwohl fraglos gut, wenig Aufschlüsse.
Schließlich hat Thorens schon Mitte der 60er Jahre mit dem Modell
TD 150 gezeigt, wie sowas gemacht wird: In einem Chassis, das in der
Zarge ruht, hängt weich gefedert ein Unterchassis. Es trägt
Plattenteller-Lager und Tonarmplatine, so daß Trittschall gar
nicht zu diesen beiden sensiblen Elementen gelangt. Falls dennoch
eine Störung auftritt, so schwingen dank des Subchassis Platte
und Tonarm synchron, klangverfälschende Relativbewegungen zwischen
Abtastnadel und Platte unterbleiben.
Schon
eher dürfte der Antriebsmotor in Verbindung mit dem schweren
Plattenteller für den Ruf des Linn verantwortlich zeichnen. Der
24polige Synchronmotor ist nämlich so schwach dimensioniert,
daß keine Streufelder den Fremdspannungsabstand nachteilig beeinflussen
können. Diese zudem recht billige
Das
Testfeld (von oben nach unten): Technics SP-15, Micro BL-91, Thorens
TD 126, Linn Sondek LP 12
Lösung
bringt zwar ausgezeichnete Daten, hat aber auch einen gravierenden
Nachteil: Die Antriebskraft ist so gering, daß mitlaufende Plattenreinigungsbesen
sich durch Drehzahlabfall bemerkbar machen. Ein volles Lencoclean-Röhrchen
bringt den Linn sogar in Verlegenheit: Das schwache Motörchen
kann den Teller nicht mehr mit der richtigen Drehzahl antreiben.
Nur
in einem, wenngleich entscheidenden Punkt, verhält sich der Linn
mustergültig. Er besitzt ein sehr aufwendig konstruiertes und
präzise gefertigtes Plattenteller-Lager. Die im Ölbad laufende,
einpunktgelagerte Tellerachse garantiert zudem geringste Exzentrizität
und verhilft so zu sauberem Klang.
Die
Konkurrenz muß sich freilich nicht hinter dem Schotten verstecken.
Der immerhin um 500 Mark billigere Thorens beispielsweise demonstriert
souverän, wie gut ein Gerät dieser Preisklasse aufgebaut
und ausgestattet sein kann. So findet sich bei ihm statt des billigen
Blechs
Dürftig: Aufbau und Verarbeitung des Linn Sondek
als Subchassis ein präzises Aluminiumgußteil. Statt nur
einer Geschwindigkeit verfügt der Thorens über drei, die
außerdem noch feinregulierbar sind.
Den
Antrieb des Tellers übernimmt beim TD 126 ein elektronisch geregelter
Gleichstrom-Motor, dessen sinnreiche Regelung mit einem 72poligen
Tachogenerator dafür sorgt, daß Gleichlaufschwankungen
unter 0,09 Prozent bleiben (siehe Meßwert-Tabelle). Und selbst
bei dem günstigen Preis von 850 Mark schafften es die Lahrer
Konstrukteure, das Laufwerk des TD 126 mit einem Präzisionslager
auszustatten.
Ob
also der Linn klanglich überlegen ist, konnte nur der Hörtest
zeigen. Denn die Tonhöhenschwankungen, die stereoplay mit dem
professionellen Spektrum-Analysator 3582 des amerikanischen Meßgeräteherstellers
Hewlett Packard untersuchte, gaben kaum einen Anhaltspunkt.
In punkto Design finden die beiden Europäer allerdings ihre Meister
in den japanischen Kontrahenten. Der edelholzfurnierte Micro BL-91
beispielsweise sticht sie optisch locker aus. Er trägt zudem
sein Antriebsprinzip offen zur Schau: Der Riemen umschlingt den 40
Millimeter hohen, 3,5 Kilogramm schweren Plattenteller, der schon
allein aufgrund der günstigen Massenverteilung für guten
Gleichlauf sorgt, deutlich sichtbar.
Sichtbar:
Riemenantrieb des Micro
Doch
auch konstruktiv finden sich bemerkenswerte Unterschiede der Japaner
zu den beiden Europäern. Die Fernost-Plattenspieler besitzen
in einer massigen Zarge fest eingebaute Chassis. Die Funktion des
Subchassis übernehmen hier weich gefederte Füße.
Der
Micro macht noch durch eine weitere Besonderheit auf sich aufmerksam.
Seine aus Messing gefertigte Tonarmplatine ist drehbar gelagert und
ermöglicht so die Montage fast jedes beliebigen Tonarms. Viel
Detailliebe verwandten die Entwickler auch auf das Lager. Die robuste
Konstruktion läuft präzise bearbeitet in einem Ölbad
- sie dürfte auch jahrelangen Betrieb schadlos überstehen.
Die
sorgfältige Verarbeitung sowie die aufwendige Mechanik des BL-91
fordern indes ihren Tribut. Mit einem Preis von rund 1500 Mark war
er der zweitteuerste Testteilnehmer.
Übertroffen
wurde er in diesem Punkt lediglich vom SP-15 der ebenfalls japanischen
Firma Technics, der übrigens noch vornehmer wirkt. Wer ihn außerdem
in die Zarge SH-15 B einbaut (sie gehört nicht zum serienmäßigen
Lieferumfang), kann die optische Wirkung noch steigern. Doch auch
in einem anderen Punkt ist der Direkttriebler seinen Mitstreitern
deutlich überlegen: Sein Teller benötigt zum Hochlaufen
oder Anhalten nicht einmal eine Sekunde.
Dabei
sorgt ein kräftiger, quarzkontrollierter Gleichstrommotor für
präzisen Gleichlauf. Die drei digital angezeigten Geschwindigkeiten
können übrigens in einem Bereich von fast 20 Prozent verändert
werden; freilich nur ein Gag, dessen praktischer Nutzen äußerst
fraglich bleibt. Daß eine Digitalanzeige das altbewährte
Stroboskop nicht zu ersetzen vermag, zeigt der SP-l5 recht augenfällig.
Wird sein Teller nämlich abgebremst, so bleibt die Anzeige ganz
stur auf der eingestellten Drehzahl, selbst wenn der Teller fast steht.
Dennoch
sind Sorgen, daß ein mitlaufender Plattenbesen die Drehzahl
beeinträchtigen könnte, überflüssig. Wie der Meßtest
zeigte, verkraftet der SP-15 derartige Belastungen so mühelos
wie Goliath, der ein Steinchen schleudern soll.
Da
direktgetriebene Plattenspieler von Natur aus eher dazu neigen, Resonanzen
von Plattenteller und Tonarm anzuregen, schenkten die Technics-Ingenieure
diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit: Sie kleideten den Plattenteller
innen mit dreischichtigem schwerem Gummi aus und fertigten das Chassis
aus einer resonanzarmen Leichtmetall-Legierung.
Beide
Maßnahmen bewirken eine überzeugende Dämpfung der
unerwünschten Eigenschwingungen. Zudem muß selbst die sorgfältig
furnierte Zarge ihren Dämpfungsbeitrag leisten. Sie besteht aus
einer Art Hartgummi.
Als
Zwischenbilanz, zu der Ausstattung, Verarbeitung und Preis beitrugen,
ergibt sich folgende Wertung: Unangefochtener Spitzenreiter ist der
Thorens, der für den geringsten Kapitaleinsatz den besten Gegenwert
bietet. Die beiden Japaner liegen etwa gleichauf, doch der Linn Sondek
landet abgeschlagen auf dem letzten Rang. Er ist angesichts seiner
primitiven Ausstattung schlicht zu teuer.
Präzise:
Antrieb des Technics
Solide: Guß-Subchassis des Thorens
Chancen,
die schlechte Position gegen eine bessere einzutauschen, blieben ihm
natürlich im Hörtest. Dabei wurden alle vier Kandidaten
mit dem englischen Hadcock-Tonarm GH 228 Mk II* ausgerüstet.
Die Tester bedienten sich der "D"Version, die sich samt
Gegengewicht und Antiskating-Einrichtung nach Lösen einer Steckverbindung
abnehmen läßt. Das erwies sich als nötig, um auch
noch die geringsten klanglichen Unterschiede der ausgesuchten Dynavector
Karat Diamant-Systeme (Test in stereoplay 1/1980) durch Austausch
der Arm-System-Kombinationen berücksichtigen zu können.
Als
Abhöranlage fungierten abwechselnd die Vor-Vorverstärker
von Accuphase und Fidelix (Test stereoplay 2/1980), die den
AGI-Vorverstärker (Test stereoplay 12/1979) ansteuerten.
Zwei Monoblöcke L 07 von Kenwood lieferten die Leistung für
die englischen Studiomonitore IV von IMF.
*
Vertrieb: Audio Trade, Koloniestraße 203, 41 Duisburg; Preis:
um 500 Mark.
Wie
bei der hohen Qualität der Prüflinge zu erwarten, geriet
der Hörtest zur Sisyphusarbeit. Denn auch nach sorgfältigster
Tonarm- und System-Justage blieben die hörbaren Unterschiede
äußerst gering. Glaubte etwa ein Jurymitglied bei einem
Musikstück einen feinen Unterschied beispielsweise im Höhenbereich
zu hören, so verschwand die vermeintliche Differenz im nächsten
Hördurchgang selbst bei gleichartigem Musikmaterial.
So
ließen sich bei problemloser Instrumentalmusik oder bei Solostimmen
auch nach längeren Hörsitzungen keine erwähnenswerten
Unterschiede ausmachen. Lediglich bei lauter, komplexer Musik fiel
beim Technics auf, daß er eine Spur flacher klang. Doch dieser
Effekt erforderte besonders feine Ohren; immerhin, er blieb reproduzierbar.
Störende
Verfärbungen verursachten die glorreichen Vier selbst bei schwierigsten
Passagen nicht - und das stellt dem Quartett ein ausgezeichnetes Zeugnis
aus. Denn gerade das klar zeichnende Dynavector-System gilt als sicherer
Garant, solche Fehler gnadenlos aufzudecken.
Es bleibt jedoch festzuhalten, daß der Linn Sondek erst dann
mithalten konnte, als die Tester sich seiner Chassis-Federung besonders
sorgfältig gewidmet und zudem die lappige Serien-Plattentellermatte
gegen ein Spezial-Exemplar, die Spectra-Matte*, ausgewechselt hatten.
Die Firma Linn kennt wohl selbst die Schwäche der Originalmatte
- gegen Aufpreis ist der LP 12 immerhin mit einer Filzauflage erhältlich.
*
Vertrieb: Audio Trade, Koloniestraße 203, 41 Duisburg; Preis
75 Mark.
Unterm
Strich ergab sich: Die Testkandidaten wurden ihrer Aufgabe, Musik
zu reproduzieren, voll gerecht, und sie lösten diese Aufgabe
exzellent. Angesichts der recht unterschiedlichen Preise bleibt der
Thorens TD 126 jedoch eindeutiger Sieger des Vergleichs. Wem das Design
500 Mark wert ist, der ist mit dem Micro BL-91 bestens bedient. Noch
mehr Prestige verspricht der Technics SP-15, der als Rosine für
Freunde des ausgereiften Direktantriebs gelten darf. Der Linn Sondek
indes sonnt sich zu Unrecht in seinem Glanz. Er bietet keinerlei klangliche
Vorzüge, ist aber dürftiger ausgestattet als seine Konkurrenten
und demnach viel zu teuer.
Gerald
O. Dick
Rumpel-Spektren (Spitzenwerte)
Die
Rumpel-Spektren* der vier Plattenspieler sprechen eine deutliche Sprache:
Die Werte sind bei allen Testkandidaten hervorragend. Auffallend sind
die geringen Unterschiede zwischen den Laufwerken. Die Spitzenwerte,
die gleichzeitig mit den Tonarmresonanzen zusammenfallen (um 10 Hertz),
differieren höchstens um 5 Dezibel, wie der Vergleich zwischen
dem Technics (links unten) und dem Thorens (rechts unten) zeigt. Laut
Zahlenwert weist also der Technics einen fast doppelt so guten Rumpel-Spitzenwert
auf; da dieser Meßwert jedoch insgesamt sehr gering ist, bleibt
er in jedem Fall unhörbar.
*
Die Rumpelspannungswerte wurden mit einem Analyser in ihre Frequenzen
zerlegt und die zugehörigen Amplituden in ein Diagramm aufgetragen.
Das
fiel beim Vergleichstest auf:
Ich
traute meinen Augen und Ohren nicht. Sollte der berühmte Linn
Sondek dem Micro oder Thorens etwa gar nicht überlegen sein?
Aber alle Tricks, wie sorgfältige Einstellung der Subchassis-Federn
oder bessere Plattenteller-Auflage, schoben den Linn weder im Meß-
noch im Hörtest nach vorn. Als er 1973 auf den Markt kam und
82 Pfund kostete, war er, gemessen an anderen Plattenspielern, exzellent
und zudem preiswert - heute ist er nur noch gut. Für das gleiche
Geld bekommt man jetzt viel besser ausgestattete und solider verarbeitete
Laufwerke, die zudem noch ein ansprechenderes Design aufweisen können.
Gerald
O. Dick
Da nimmt an einem Vergleichstest ein Thorens-Laufwerk teil, das in
seinen Grundzügen schon vor über zehn Jahren entwickelt
wurde und in der angeblich so schnellebigen HiFi-Zeit eigentlich gar
keine Chance haben dürfte. Doch der TD 126 steht seinen modernen
Konkurrenten in nichts nach: Er bringt ganz hervorragende Daten -
und das mit einem "altmodischen" Riemenantrieb. Er klingt
so gut, daß erheblich teurere Konkurrenten vor Neid erblassen
müssen. Und die Theorie, nach der heute nur noch die Japaner
in der HiFi-Welt das Sagen haben, führen die Badener geradezu
ad absurdum.
Jürgen
Schoppmann